Rhamnolipide sind leistungsstark, hautfreundlich und besonders umweltverträglich. Mit ihren zahlreichen positiven Eigenschaften können die Biotenside die Märkte für Körperpflegeprodukte und Reinigungsmittel von Grund auf verändern. Evonik produziert Rhamnolipide als weltweit erstes Unternehmen im Industriemaßstab. Die neue Anlage im slowakischen Slovenská Ľupča ist das Ergebnis jahrelanger, intensiver Forschung.
Im Jahr 2022 fiel am slowakischen Evonik-Standort Slovenská Ľupča der Startschuss für ein zukunftsweisendes Projekt: den Bau einer neuen Anlage zur Herstellung von Rhamnolipiden. 16 Monate darauf – früher als geplant – lief die Produktion an. Damit ist Evonik das weltweit erste Unternehmen, das Rhamnolipide im industriellen Maßstab herstellt. Ein Meilenstein.
Rhamnolipide gehören zu den als Glycolipide bezeichneten Biotensiden und eignen sich als Wirkstoff zum Beispiel für Handspülmittel, Shampoos, Duschgels oder Waschmittel. Ihr großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Tensiden: Sie sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar und weisen eine hohe Umweltverträglichkeit gegenüber Mikroorganismen in Gewässern auf. Auch bei der Reinigungsleistung liefern sie hervorragende Ergebnisse. Rhamnolipide sind zudem sehr mild zur Haut und schonen Oberflächen etwa aus Kunststoff. „Die Kombination aus Nachhaltigkeit und Leistungsstärke ist einzigartig“, sagt David Voigtländer, Leiter Forschung & Entwicklung im Evonik-Geschäftsbereich Care Solutions. „Rhamnolipide sind in den Märkten für Körperpflegeprodukte und Reinigungsmittel ein echter Gamechanger.“
STEIGENDES UMWELTBEWUSSTSEIN TREIBT NACHFRAGE NACH RHAMNOLIPIDEN
Evonik schätzt, dass der Markt für Biotenside bis 2032 auf etwa eine Milliarde Euro anwachsen wird. Getrieben wird diese Steigerung sowohl von den Konsumenten, die zunehmend Wert auf nachhaltige Lösungen legen, als auch von den Behörden. Sie stellen deutlich höhere Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit von Reinigungssubstanzen. „Hinzu kommt, dass sich viele Hersteller von Körperpflegeprodukten und Reinigungsmitteln zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet haben“, sagt Voigtländer. „Das wird die Nachfrage zusätzlich ankurbeln.“
Hergestellt werden Rhamnolipide mithilfe der Biotechnologie in einem von Evonik entwickelten Fermentationsverfahren. Andere Tenside, auch biobasierte, werden über chemische Verfahren produziert. „Als Hauptrohstoff nutzen wir europäischen Maiszucker“, sagt Miroslav Havlik, Standortleiter in Slovenská Ľupča. Rohöl und tropische Fette, die bei der Produktion herkömmlicher Tenside zum Einsatz kommen, werden nicht benötigt. Darüber hinaus verbraucht das Fermentationsverfahren von Evonik weniger Energie als die klassische chemische Produktion. „Auch das ist ein deutlicher Nachhaltigkeitsvorteil“, so Havlik.
Die Kombination aus Nachhaltigkeit und Leistungsstärke ist einzigartig. Rhamnolipide sind ein echter Gamechanger.
LEISTUNGSFÄHIGKEIT DER RHAMNOLIPIDE SCHRITT FÜR SCHRITT ERHÖHT
Die neue Anlage in Slovenská Ľupča ist das Ergebnis jahrelanger Forschung. Gemeinsam mit dem Konsumgüterhersteller Unilever arbeiteten zahlreiche Evonik-Experten daran, Rhamnolipide marktfähig zu machen. Eine besondere Herausforderung war es zunächst, einen Bakterienstamm zu finden, der ungefährlich ist für Mensch und Umwelt und sich unter künstlich hergestellten Bedingungen sehr stark vermehrt. Nach zahlreichen Versuchen entschieden sich die Forscher für einen Bakterienstamm der Spezies Pseudomonas putida. Schritt für Schritt schafften sie es, die Leistungsfähigkeit des Bakteriums zu erhöhen und es schließlich fit zu machen für die Rhamnolipid-Produktion im industriellen Maßstab.
Rhamnolipide sind heute bereits in zahlreichen Produkten im Einsatz. Unilever zum Beispiel hat ein Handspülmittel mit dem Biotensid auf den Markt gebracht. Im Kosmetikbereich spielen Rhamnolipide ihre Stärken unter anderem in Mizellengesichtswasser aus. Auch in Zahncreme werden sie eingesetzt. Ihr Pluspunkt hier: Sie schmecken süß. Hersteller können so die hohen Kosten für Aromen reduzieren, die in Zahncremes üblicherweise den bitteren Geschmack herkömmlicher Tenside überdecken.
SO FUNKTIONIEREN TENSIDE
Tenside haben ein hydrophiles (Wasser liebendes) und ein lipophiles (Fett liebendes) Ende. Wird eine verschmutzte Oberfläche mit Wasser gewaschen, ziehen die Schmutzpartikel das lipophile Ende an, während sich das hydrophile Ende zum Wasser ausrichtet. Diese entgegengesetzten Kräfte lockern die Schmutzpartikel und lösen sie im Wasser. Dort ordnen sich die Tenside mit ihren lipophilen Enden um die Schmutzpartikel herum an und schließen sie in sogenannte Mizellen ein, die mit dem Schmutzwasser entfernt werden.
Wir sind stolz, zum gemeinsamen Erfolg beitragen zu haben. In wenigen Jahren ein neuartiges Biotensid zu entwickeln und eine funktionierende Produktion im Industriemaßstab aufzubauen, das ist schon außergewöhnlich.
EVONIK ENTWICKELT ZUSÄTZLICHE ANWENDUNGSFELDER FÜR RHAMNOLIPIDE
Rhamnolipide eignen sich jedoch nicht nur für Körperpflegeprodukte und Reinigungsmittel, sondern auch für weitere Anwendungsfelder, etwa in den Bereichen Ernährung, Agrochemikalien und Beschichtungen. Das Evonik-Produkt TEGO® Wet Terra zum Beispiel ist für die Lackindustrie bestimmt. Als Netz- und Dispergiermittel für Substrate und Pigmente sorgt es dafür, dass Lacke einen durchgehenden Film bilden und das Pigmentpulver sich gut in der Flüssigkeit verteilt. Rhamnolipide von Evonik zeigen auch hier eine sehr gute Leistung. Zugleich sind sie schonend für die Gesundheit, etwa bei sensibler Haut oder Allergien.
Gemeinsam mit seinem Team erforscht Stefan Liebig, Laborleiter am Evonik-Standort Essen Goldschmidtstraße, neue Anwendungsfelder für das Biotensid. Was ihm dabei in die Hände spielt, ist die außergewöhnliche chemische Struktur der Rhamnolipide. „Sie ermöglicht es uns, unseren Biotensiden mehrere Produkteigenschaften zu verleihen – direkt zugeschnitten auf das jeweilige Einsatzgebiet und die Bedürfnisse unserer Kunden“, sagt er. So könne Evonik nicht nur ein nachhaltiges Molekül anbieten, sondern gleich eine ganze Systemlösung. Liebig ist bereits seit Jahren an der Rhamnolipid-Entwicklung bei Evonik beteiligt. „Wir sind stolz, zum gemeinsamen Erfolg beitragen zu haben“, sagt er. „In wenigen Jahren ein neuartiges Biotensid zu entwickeln und eine funktionierende Produktion im Industriemaßstab aufzubauen, das ist schon außergewöhnlich.“